Am ersten Aprilwochenende war es soweit und ich durfte als eine von ca. 40 fortgeschrittenen Studierenden zum Auswahlseminar der Studienstiftung des deutschen Volkes. Was uns Teilnehmende dort erwartete, welche Anforderungen an uns gestellt wurden, wie man sich dafür vorbereiten kann – und natürlich, ob ich als Stipendiatin aufgenommen wurde – erzähle ich euch im heutigen Blog. Ach ja: Und wer’s eilig hat kann gleich zu den Tipps im letzten Absatz springen 🙂
Die Studienstiftung des deutschen Volkes: Förderung mit Tradition
Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht- die Studienstiftung ist keine Stiftung. Sie ist eine behördliche Institution, die unabhängig von Stiftungsgeldern europaweit Schüler:innen und Studierende fördert. Inzwischen zählen über 50.000 zu der großen Familie der Studienstiftung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat „junge Menschen mit hoher wissenschaftlicher oder künstlerischer Begabung“ auf ihrem Bildungsweg zu unterstützen. Das Leitbild der Studienstiftung spricht sich klar für eine politisch unabhängige und die individuelle Biografie eines jeden Bewerbenden berücksichtigende Philosophie aus. Neben Motivation und Leistung stehen soziale Kompetenz und ehrenamtliches Engagement ganz weit oben.
Um Menschen auf ihrem Weg in eine erfolgreiche (akademische) Zukunft zu begleiten, bietet die Studienstiftung eine finanzielle Förderung im Rahmen einer Studienkostenpauschale von 300 € monatlich. Über ein bestimmtes Antragsverfahren kann diese mit einem Lebenshaltungsstipendium um bis zu ca. 800 € aufgestockt werden. Vor allem besticht die Stiftung jedoch durch die ideelle Förderung ihrer Stipendiat:innen. Sie bietet mit ihren Sommerakademien ein aufregendes Programm, bei dem Geförderte für ein bis zwei Wochen gemeinsam zu einem bestimmten Thema forschen können. Die Akademien finden sowohl in Deutschland als auch im Ausland statt. Studierende können sich so in einem geschützten Raum, unter Anleitung von ehemaligen Geförderten, mit gesellschaftlich und wissenschaftlich relevanten Fragen auseinandersetzen. Gleichzeitig gibt es während der Tage jede Menge Freizeit, bei der man sich in der Gruppe besser kennenlernen oder an eigenen Projekten feilen kann.
So ist eines der Forschungsthemen der Sommerakademie in Disentis (CH) dieses Jahr zum Beispiel „Der Tod zwischen Ethik und Ästhetik – Repräsentationen des Sterbens in Literatur, Film und (sozialen) Medien“. In Annecy wird man sich unter anderem der „Politische[n] Inszenierung von Authentizität“ widmen.
Das Bewerbungsverfahren
Es gibt drei Möglichkeiten sich bei der Studienstiftung zu bewerben. Die Erste ist eine Eigenbewerbung, bei der man an einem Aufnahmetest teilnimmt. Die Zweite ist der Vorschlag durch eine lehrende Person. Die dritte – und meine – Variante ist eine Nominierung durch das Prüfungssekretariat. An der Universität Passau werden regelmäßig die Noten der Studierenden dafür geprüft. Da ich zu den besten oberen Prozent meines Studiengangssemester gehöre, wurde ich per Email gefragt, ob ich mit der Nominierung einverstanden wäre. Nachdem ich zugesagt hatte, wurde der Vorschlag eingereicht. Einige Zeit später habe ich eine Benachrichtigung der Studienstiftung bekommen, dass ich über das Onlineportal eine ausführliche Bewerbung einreichen soll. Dazu gehört unter anderem ein ausformulierter Lebenslauf und ein Empfehlungsschreiben einer promovierten Lehrperson.
Nach der Einreichung war Warten auf die Einladung zum Auswahlseminar angesagt. Dieses sollte irgendwo im Rahmen eines Wochenendes in der Nähe der Universität stattfinden. Über Gespräche, Gruppendiskussionen und Vorträge soll dabei ein Komitee eruieren, ob das Profil der Bewerber:innen zur Stiftung passt.
Besser ein bisschen Vorbereitung: Vortrag, Diskussionsrunden und Bewertungsgespräche
Für das Wochenende ist auf jeden Fall Vorbereitung angesagt. Auch wenn die Studienstiftung auf ihrer Seite deklariert, dass man sich auf die Auswahlseminare nicht vorbereiten kann, rate ich dringend dazu. Was den Vortrag betrifft, kommt man sowieso nicht aus. Jeder Bewerbende muss im Vorfeld einen genau zehn-minütigen Vortrag zu einem Thema vorbereiten, über das sich gut diskutieren lässt. Dabei sollte es nicht zu fachspezifisch sein, aber kontrovers genug, dass die Diskussionsteilnehmenden verschiedene Positionen einnehmen können. Der Vortrag muss zudem ohne Hilfsmittel wie z.B. einer Powerpoint-Präsentation gehalten werden. Ich habe mich für das Thema „Politische Korrektheit in Kinderbüchern – Modifikation oder Zensur?“ entschieden und über die Änderungen in den Werken von Roald Dahl gesprochen.
In Vorbereitung auf die Gespräche bin ich noch einmal meine Bewerbungsunterlagen durchgegangen. Was hatte ich in meinem ausformulierten Lebenslauf genau geschrieben? Welche Eckdaten sind vielleicht Knackpunkt beim Gespräch? Kann ich zu den erwähnten Punkten mehr erzählen oder sie mit positiven Beispielen belegen? Was spricht für meine Fähigkeiten, was von meinen bisherigen Leistungen hatte sowas wie einen gesellschaftlichen Mehrwert? Antworten auf diese Fragen parat zu haben stellte sich am Ende als sehr hilfreich heraus. Mein panisches „Noch mal schnell die Jahreszahlen der Literaturepochen reinstopfen und zwei Gedichte auswendig lernen“ war hingegen völlig unnötig. Aber die liebe Paranoia halt…
Gemeinschaft & Challenges in der Jugendherberge Dachau
Jedenfalls bin ich zum Auswahlseminar schon einen Tag vorher angereist, um mich in Ruhe auf die kommenden Aufgaben einzustimmen. Die anderen Teilnehmenden sind alle am ersten Seminartag eingetrudelt. Schon in der Eingangshalle fand man ein Pinboard mit dem exakt getakteten Programm. Jede:r Teilnehmende hatte im Voraus eine Nummer per Email erhalten. Über diese waren auf dem Plan die entsprechenden Termine und das zugeordnete Komitee-Mitglied ersichtlich.
Für Jede:n sollte es ein Fachgespräch mit einem fachnahen Prüfer, ein persönliches Gespräch (wie ein Jobinterview) mit einem fachfremden Prüfer und die fünf Diskussionsrunden in einer festen Gruppe mit einem dritten Prüfer geben. Frühstück, Mittag- und Abendessen waren ebenfalls fest eingetaktet. Geplant war das Programm Samstags von 12 bis 21 Uhr, Sonntags von 8:30 bis 13:30 Uhr.
Als erstes habe ich mich auf die Suche nach meinen Gruppenmitgliedern gemacht und mich inmitten von vier Medizin-Studierenden wiedergefunden. Sie waren super nett, meine Freude hielt sich dennoch in Grenzen. Schließlich war anzunehmen, dass sich ihre Themen im Bereich der Medizin bewegen und davon hatte ich ganz sicher keine Ahnung. Nach der ersten Diskussion war mein Fachgespräch angesagt. Mit zehn Minuten Zeitpuffer durfte ich den Raum zu meinem Fach-Komiteemitglied wechseln, der zu meiner Begeisterung sowohl Literatur- als auch Theaterwissenschaften studiert hatte. Ich wurde sehr freundlich empfangen und das Gespräch war eine gute Einstimmung auf das restliche Seminar.
Wie sich hinterher zeigte, hatten die Komiteemitglieder ganz unterschiedliche Herangehensweisen, um ihre Bewerber:innen auf Herz und Nieren zu prüfen. Mein Prüfer hat sich vor Allem für meine Motivation interessiert, meine persönliche Geschichte, meine individuelle Auseinandersetzung mit Literatur und inwiefern ich meine Studieninhalte in der Zukunft positiv in das gesellschaftliche Leben einbringen kann. Es war ein ganz tolles Gespräch und die Zeit ist regelrecht verflogen.
Die Achillessehne meiner Rhetorik: Diskutieren.
Das gefürchtete Übel stand mir aber noch bevor: Die restlichen Diskussionsrunden, die ich ganz klar als meinen Schwachpunkt vorhergesehen hatte. Erstens wegen des bereits erwähnten fremden Fachbereichs, zweitens einfach aufgrund der Tatsache, dass ich nicht gern diskutiere. Wie erwartet waren die Themen zwar nicht superspezifisch, aber dennoch anspruchsvoll: Triage in der Notfallambulanz; Wissenschaftskommunikation in Zeiten von Covid 19 und dem Ukrainekrieg; Die Zukunft von Smart Gadgets in der Medizin; Alternative Möglichkeiten zur Medizinforschung mit Tierversuchen. Vier der Diskussionen (auch das bei dem ich Vortragende und Diskussionsleiterin war) fanden am ersten Tag statt, die letzte am Sonntag.
Da wir für die Themen nicht wirklich Vorbereitungszeit hatten, mussten wir auf bereits vorhandenes Wissen und unseren eigenen moralischen Standpunkt zurückgreifen. Meine Gruppe hat sehr faire Diskussionen geführt, die ich trotz der Herausforderung angenehm fand. Natürlich konnten meine 4 Kolleg:innen im Medizinbereich viel fundierter argumentieren, ich habe mich aber wacker geschlagen. Und sie sich bei der Diskussion zu meinem Vortrag über Zensur in der Literatur. Der Vortrag lief gut. Ich hatte vor Allem das Gefühl, dass ich die anschließende Diskussion sicher mit Denkanstößen und Zwischenfragen navigieren konnte. Lediglich der Abschluss, bei dem ich alles noch einmal kurz rekapitulieren wollte, geriet etwas holprig.
Letzter Tag: Abschlussdiskussion & persönliches Gespräch
Vor der letzten Diskussionsrunde hatte ich dann noch die Chance mich beim persönlichen Gespräch dem dritten Komiteemitglied vorzustellen. Meine Prüferin kam ebenfalls aus dem Medizinbereich. War wohl mein Omen für das Wochenende. Sie erklärte gleich zu Anfang, welche fünf Aspekte bei den Gesprächen abgeprüft werden und dass sie den Fokus auf soziale Kompetenz, Konfliktfähigkeit und gesellschaftliches Engagement legen wird. Auch dieses Gespräch verlief gut, wobei ich hier noch mehr gefordert war, mich selbst zu präsentieren. Soll heißen, sie hat auch gefragt, welche Themen ich ins Feld führen möchte, um meine Qualifikation zu betonen oder was sie meiner Meinung nach noch unbedingt über mich wissen sollte.
Auch das Thema Konflikt kam zur Sprache. Ich sollte erzählen, wann ich mich zuletzt in einer Konfliktsituation befunden habe. Und Schritt für Schritt erklären, wie ich sie gelöst habe. Kreativität und Motivation wurden unter anderem mit der Frage abgeklopft, welches Gerät ich erfinden würde, wenn alles möglich wäre und welches Problem ich damit lösen möchte. Ich habe mich für einen magischen Füller entschieden. Der soll Schreibblockaden lösen und somit sicherstellen, dass alle wunderbaren und wichtigen Texte von Menschen, die was zu sagen haben, für die Nachwelt aufgeschrieben werden. Schwachstelle dieses Gesprächs: Nicht schnell genug auf den Punkt kommen. Manchmal habe ich zu weit ausgeholt. Dann hat sie mich unterbrochen und um eine konkretere Antwort gebeten. Aber auch das habe ich überlebt. Sonntag Mittag gings dann nach einer Rundum-Verabschiedung wieder zurück nach Klagenfurt zum Praktikum.
Noch kurz zum Bewertungsverfahren: Zwei der drei Komitee-Mitglieder müssen für eine Aufnahme des Teilnehmenden stimmen. Außerdem vergibt jede:r von ihnen 0-10 Bewertungspunkte. Davon muss man mindestens 21 erreichen , um am Ende auch wirklich in die Studienstiftung aufgenommen zu werden.
Yeaaaahhh! Ab jetzt Teil einer großartigen Community
Was soll ich sagen? Circa zwei Wochen später kamen die Unterlagen zur Aufnahme in die Studienstiftung. Ich bin immer noch über-glücklich und über-rascht. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. . Jedenfalls bin ich unglaublich dankbar. Ich weiß, dass ich nun in ein Netzwerk integriert bin, das mich super unterstützt, meine Ziele zu erreichen. Und auch für ehrenamtliche Projekte habe ich damit eine tolle Community. Neben der bereits genannten Unterstützung hat man über das zugehörige Onlineportal jede Menge Kontaktmöglichkeiten zu anderen Geförderten. Des Weiteren wird man einer regionalen Gruppe zugeteilt. Und man bekommt einen Vertrauensdozenten an der eigenen Uni, den man bei Fragen oder Problemen jederzeit kontaktieren kann.
Einmal aufgenommen erhält jeder Studierende die Förderung bis zum Studienabschluss, das gilt auch für den Übergang in ein Masterstudium. Sie muss zwar formell jedes Semester kurz online neu beantragt werden, aber solange man den Forderungen eines Semesterberichts, guten Leistungen und ehrenamtlichen Engagement in irgendeiner Weise nachkommt, sollte das keine Probleme geben. Die letzte Bedingung ist noch, dass man das Studium innerhalb der Regelstudienzeit abschließt. Für eine Verlängerung ist ein weiterer Antrag notwendig und ein relevanter Grund für die „Verzögerung“.
Abschließende Tipps für das Seminar
Nun aber noch alle Tipps, die mir so für euch einfallen, sollte bei euch auch ein Seminar anstehen:
- Beginnt rechtzeitig mit der Vorbereitung des Vortrags und überlegt euch ein Thema, in dem ihr euch sicher fühlt, das aber auch nicht zu abgedroschen ist. So haben alle mehr Spaß und ihr zeigt, dass ihr euch Gedanken gemacht habt.
- Bereitet den Vortrag erst mal als Power Point Präsentation vor. Ihr dürft sie zwar nicht benutzen, aber sie hilft euch den Vortrag zu strukturieren. Dann einfach mehrmals üben, Zeit stoppen und eventuelle Änderungen vornehmen.
- Für die Gespräche euren Lebenslauf nochmal durcharbeiten und sicher gehen, dass ihr authentische Antworten auf Fragen habt, die dazu kommen könnten. Eventuell auch kleine Anekdoten.
- Ein bisschen Wissen über aktuelle Diskurse schadet sicher nicht. Falls ihr es nicht schon tut, nehmt euch etwas Zeit für die Tagesnachrichten.
- Überlegt euch, was die Prüfer:innen von euch wissen sollten. Was macht euch zu dem einzigartigen Menschen, der ihr seid und inwiefern pass das gut zur Studienstiftung? Denkt am Nutzen FÜR die Stiftung/Gesellschaft orientiert. Und argumentiert ohne Überheblichkeit.
- Habt ein Ass im Ärmel für die Frage, ob ihr zum Abschluss noch was von euch erzählen oder etwas fragen möchtet.
- Führt faire Diskussionen, traut euch eure Meinung zu sagen. Bindet andere der Gruppe in die Diskussion ein, stellt auch mal Gegenfragen. Der Redeanteil zählt zwar, aber Qualität geht vor Quantität.
- Zeigt eure Leidenschaft für euren Studiengang und steht zu euren Zukunftsplänen und Träumen.
- Knüpft Kontakte in den Pausen, habt gute Gespräche und Spaß. Trotz all dem Stress.
- Und zu guter Letzt: Vergesst nicht, die Prüfer:innen sind auch nur Menschen und möchten euch kennenlernen. Genau so wie ihr seid. Und allein damit, dass ihr zum Auswahlseminar eingeladen worden seid, habt ihr schon so viel geschafft – egal was am Ende dabei rauskommt.
Allen in der Zukunft Eingeladenen wünsche ich viel Freude und Glück!
Infos zur Studienstiftung und dem Aufnahmeprozess findet ihr auf deren Homepage: www.studienstiftung.de | Studienstiftung des deutschen Volkes
Das Leitbild, das ich auch im Artikel zitiert habe, findet ihr hier: Leitbild | Studienstiftung des deutschen Volkes
Und wenn ihr wissen wollt, wie ich eigentlich mit Mitte dreißig noch zum Studieren gekommen bin: 34, tätowiert, Arbeiterkind – Ersti. (Teil 1) – Natascha Huber (natascha-huber.de)
34, tätowiert, Arbeiterkind – Ersti. (Teil 2) – Natascha Huber (natascha-huber.de)
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